Universität Bayreuth, Pressemitteilung Nr. 022/2025 vom 07.03.2025
Forschende entwickeln neues Hydrogel, das wie Haut heilen kann
Unter Beteiligung von Prof. Dr. Josef Breu vom Lehrstuhl für Anorganische Kolloide für elektrochemische Energiespeicherung an der Universität Bayreuth haben Forschende ein Hydrogel mit einzigartiger Struktur entwickelt. Es vereint erstmals Stärke, Flexibilität und Selbstheilungsfähigkeit. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden im renommierten Fachjournal Nature Materials.
Künstlerische Darstellung von Hydrogelen in einem durch Selbstheilung gebildeten Mobius-Ring.
Gele begegnen uns im Alltag ständig – von weichen, klebrigen Substanzen wie Haargel bis hin zu gelartigen Bestandteilen in Lebensmitteln. Auch menschliche Haut weist gelartige Eigenschaften auf, besitzt jedoch einzigartige Qualitäten, die nur schwer nachzuahmen sind. Sie kombiniert hohe Festigkeit mit Flexibilität und beeindruckenden Selbstheilungskräften, sodass sie sich oft innerhalb von 24 Stunden nach einer Verletzung vollständig regeneriert.
Bisher konnten künstliche Gele entweder eine hohe Steifigkeit oder die Selbstheilungsfähigkeit natürlicher Haut nachbilden, aber nicht beides zugleich. Nun ist es einem Team von Forschenden der Aalto-Universität und der Universität Bayreuth erstmals gelungen, ein Hydrogel mit einer einzigartigen Struktur zu entwickeln, das diese bisherigen Einschränkungen überwindet. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für Anwendungen wie die gezielte Medikamentenfreisetzung, Wundheilung, Sensoren in der Soft-Robotik und künstliche Haut.
In ihrer bahnbrechenden Studie fügten die Forschenden ultradünne spezielle Ton-Nanoschichten (Nanosheets) mit außergewöhnlich großen Durchmessern in Hydrogele ein, die normalerweise weich und elastisch sind. Diese Nanosheets wurden von Prof. Dr. Josef Breu an der Universität Bayreuth entwickelt und hergestellt. Das Ergebnis ist eine hochgeordnete Struktur mit dicht verschlauften Polymerketten zwischen den Nanosheets. Dies verbessert nicht nur die mechanischen Eigenschaften des Hydrogels, sondern ermöglicht weiterhin seine Selbstheilung.
Heilung durch „Verschlaufung“
Das Geheimnis des Materials liegt nicht nur in der geordneten Anordnung der Nanosheets, sondern auch in den Polymerketten, die sich dazwischen verschlaufen – kombiniert mit einem Hertellungsverfahren, das so einfach ist wie Backen. Chen Liang, Postdoktorand an der Aalto-Universität, mischte ein Pulver aus Monomeren mit Wasser, das Nanosheets enthielt. Anschließend wurde die Mischung unter eine UV-Lampe gestellt – ähnlich wie bei der Aushärtung von Gelnagellack. „Die UV-Strahlung der Lampe bewirkt, dass sich die einzelnen Moleküle miteinander verbinden, sodass ein elastischer Feststoff – ein Gel – entsteht“, erklärt Liang.
„Verschlaufung bedeutet, dass sich die dünnen Polymerketten wie winzige Wollfäden umeinander zu einem Wollknäuel aufrollen – allerdings in zufälliger Anordnung“, ergänzt Hang Zhang von der Aalto-Universität. „Wenn die Polymere vollständig verschlauft sind, kann man zwischen den einzelnen Fäden nicht mehr unterscheiden. Auf molekularer Ebene sind sie äußerst dynamisch und beweglich. Wird das Material durchtrennt, beginnen sich die Fäden erneut ineinander zu verschlaufen.“
Vier Stunden nach einem Schnitt mit einem Messer ist dieser daher bereits wieder zu 80 bis 90 Prozent verheilt. Nach 24 Stunden ist das Material in der Regel vollständig repariert. Ein Hydrogelfilm mit einer Dicke von einem Millimeter enthält ca. 10.000 Lagen von Nanosheets. Dadurch ist das Material so steif wie menschliche Haut und besitzt trotzdem eine vergleichbare Dehnbarkeit und Flexibilität.
„Steife, starke und selbstheilende Hydrogele waren lange eine Herausforderung. Wir haben einen neuen Mechanismus entdeckt, um konventionell weiche Hydrogele zu verstärken. Dies könnte die Entwicklung neuer Materialien mit bio-inspirierten Eigenschaften revolutionieren“, sagt Zhang.
Inspiration aus der Natur
„Diese Arbeit ist ein spannendes Beispiel dafür, wie uns biologische Materialien dazu inspirieren, neue Kombinationen von Eigenschaften für synthetische Materialien zu entdecken“, sagt Olli Ikkala von der Aalto-Universität. „Man stelle sich Roboter mit robuster, selbstheilender Haut oder synthetische Gewebe vor, die sich eigenständig reparieren.“
Zwar sei es noch ein weiter Weg bis zu realen Anwendungen, doch die aktuellen Ergebnisse seien ein entscheidender Fortschritt. „Es ist eine fundamentale Entdeckung, die die Prinzipien des Materialdesigns grundlegend verändern könnte.“
Die Forschungskooperation wurde von Dr. Hang Zhang, Prof. Olli Ikkala und Prof. Josef Breu geleitet.
„Der Schlüssel zur hohen Festigkeit liegt in der Zugabe von ultrabreiten, aber dünnen Ton-Nanosheets, die sich durch eine äußerst gleichmäßige Quellung in Wasser auszeichnen. Um sich das nanoskalige Phänomen bildlich vorzustellen: Man kann es mit einem Stapel Druckerpapier vergleichen, bei dem die einzelnen Blätter auf einen einheitlichen Abstand von einem Millimeter separiert werden. Die Durchmesser der Polymerknäuel korrelieren mit der entstehenden Schlitzhöhe und werden daher zwischen den Nanosheets ‚eingeklemmt‘, erklärt Breu. Durch die Reibung mit den einschließenden Nanosheets erhöht sich die Festigkeit.
Originalpublikation: Stiff and self-healing hydrogels by polymer entanglements in co-planar nanoconfinement“, Nature Materials (2025).

Prof. Dr. Josef BreuAnorganische Kolloidchemie für elektrochemische Energiespeicher
Telefon: 0921 / 55-2530
E-Mail: josef.breu@uni-bayreuth.de

Theresa HübnerStellv. Pressesprecherin
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